In der Serie zu den Gemeindewahlen 2023 spricht «Vielfalt in der Politik» mit Gemeinderätinnen über ihre Arbeit und Erfahrung im Gemeinderat.
Vor Kurzem erst feierlich eingeweiht, erfreut sich der neu sanierte Allwetterplatz grosser Beliebtheit. Für die Gemeinderätinnen Désirée Bürzle, Bettina Eberle-Frommelt, Bettina Fuchs und Corinne Indermaur-Wille ist der Treffpunkt mitten im Dorfzentrum von Balzers ein Gewinn.
Interview mit den Gemeinderätinnen der Gemeinde Balzers
Euer Projekt ist der «blaue Platz». Erzählt doch bitte, um was es dabei geht.
Corinne Indermaur-Wille: Der frühere «rote Platz» wurde 1975 gebaut. Er war also schon recht alt und der Belag musste dringend saniert werden. Wir haben im März 2020 eine Arbeitsgruppe gebildet. Aus dem Gemeinderat waren Thomas Wolfinger (Vorsitzender der Sportkommission) und ich als Vorsitzende der Freizeitkommission dabei. Dazu kamen die Sportlehrer Rolando Ospelt und Baptist Malin, Dominik Frommelt von der Bauverwaltung und der externe Experte Daniel Wegmüller. Letzterer brachte viel Erfahrung mit, da er bereits mehrere derartige Plätze gemacht hatte. Die Arbeitsgruppe präsentierte dem Gemeinderat später einen Projektvorschlag und die erwarteten Kosten. Im September 2020 fiel der einstimmige Beschluss des Gemeinderats.
Bettina Eberle-Frommelt: Es ist wirklich ein Gewinn. Vorher gab es nur zwei Basketballkörbe und zwei Fussballtore. Es war hauptsächlich ein Fussballplatz, der fast nur von Jungs benutzt wurde. Die Mädchen sassen daneben und schauten zu. Die Arbeitsgruppe hat darauf Wert gelegt, dass es Sachen gibt, die auch den Mädchen Freude machen. Es gibt ein Trampolin, eine kleine Boulder-Anlage, kleine Spielfelder, etwas zum Klettern. Der Platz ist vielseitig nutzbar.
Désirée Bürzle: Wenn schlechtes Wetter ist, nutzen die Schulen den Allwetterplatz, weil die Kinder dann nicht auf die Wiese können. Der Platz wird aber auch an den Abenden und Wochenenden rege besucht. Es ist erstaunlich, seit er offen ist, ist er zeitweise fast voll.
Dieses Projekt ist ein Paradebeispiel dafür, wie es im Gemeinderat optimal laufen könnte. Es ist schön, wenn man im Gemeinderat solche Projekte bearbeiten kann, die zeitmässig sehr schnell gehen.
Heisst das, es ist eher ungewöhnlich, dass es so schnell gegangen ist?
Désirée Bürzle: Das ist nicht typisch. Im Normalfall geht alles viel länger.
Bettina Fuchs: Es gibt viele Geschäfte, die wir vom früheren Gemeinderat übernommen haben. Dieses Projekt ist etwas, das nur in unserer Legislatur geplant und umgesetzt wurde. Das ging ruckzuck und ist wirklich «a gfreuti Sach».
Bettina Eberle-Frommelt: Bei diesem Projekt ging es auch so schnell, weil die Notwendigkeit klar war. Ausserdem hat man diejenigen einbezogen, die den Platz nutzen, konkret die Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen, die Vereine. Dass es so reibungslos ablief, lag auch an der guten Zusammenarbeit zwischen Arbeitsgruppe, Verwaltung und dem Gemeinderat.
Gab es Rückmeldungen von Seiten der Bevölkerung? Wie ist das generell im Gemeinderat, erhält ihr viel Feedback?
Bettina Fuchs: Von negativen Rückmeldungen sollte man sich nicht einschüchtern lassen. Es sind nur einzelne Personen, und die schimpfen über fast alles. Wenn man es anders beschliessen würde, wäre es auch nicht gut. Man muss etwas darüberstehen. Oder denken, sie sollen ihr Herz ausschütten. Ich steige nicht auf jedes Gespräch ein, sondern lasse die Leute einfach mal «abladen».
Désirée Bürzle: Was mir persönlich hilft, ist das Wissen, dass ich nicht allein bin. Wir sind ein Gremium von elf Leuten, das Entscheide fällt. Es ist der Beschluss der Mehrheit, so ist es in einer Demokratie. Mit dem kann ich für mich persönlich gut umgehen und Kritik einfacher nehmen. Die Leute ausserhalb sehen es manchmal anders. Aber sie haben auch nicht immer alle Informationen, die wir haben.
Bettina Eberle-Frommelt: Schwierig finde ich, wenn ich angesprochen werde und ich habe gewisse Informationen, die ich nicht sagen darf. Am Anfang einer Mandatsperiode ist das vielleicht verunsichernd. Aber das lernt man mit der Zeit. Was veröffentlicht werden darf, steht im Protokoll, für den Rest geben wir keine Auskunft.
Corinne Indermaur-Wille: Man kann es auch nicht allen recht machen. Wir haben im Gemeinderat unterschiedliche Interessen. Diese bringen wir nicht alle unter einen Hut. Aber wir stimmen so ab, wie es für uns und hoffentlich für den Grossteil der Bevölkerung stimmt.
Wie beurteilt ihr allgemein eure Zeit im Gemeinderat?
Corinne Indermaur-Wille: Auf Gemeindeebene zu arbeiten ist sehr schön. Ich kann das allen weiterempfehlen! Es ist wie eine zusätzliche Ausbildung. Man erhält ganz viele Einblicke, die man sonst nicht hätte, zum Beispiel zu den Themen Abwasser, Trinkwasser oder Deponie. Mir war früher gar nicht bewusst, was alles auf Gemeindeebene läuft. Allerdings: Es ist sehr viel Bau! Die Entscheidungen, die wir treffen, haben häufig mit Bau zu tun. Daneben gibt es viele andere Themen, die interessant sind.
Désirée Bürzle: Es ist wie der Blick hinter die Kulissen, wenn man es von der Operette her betrachtet. Man sieht hinter den Vorhang. Wenn du im Gemeinderat bist, nimmst du viele Sachen plötzlich anders wahr.
Bettina Eberle-Frommelt: Du bist auch gezwungen, dich mit Themen zu befassen, von denen du dachtest, sie würden dich nicht interessieren. Man erhält einen breiten und vielseitigen Einblick. Ich bin jemand, der sich sehr für Menschen interessiert. Man hat im Gemeinderat und in den Kommissionen mit vielen Menschen zu tun, mit denen man sonst keinen Kontakt hätte. Wir arbeiten auch partei- und kommissionsübergreifend gut zusammen. Das ist eine Bereicherung.
Corinne Indermaur-Wille: Gut ist auch, dass wir im Gemeinderat aus ganz unterschiedlichen Berufen kommen. Es ist eine gute Mischung. Die einzelnen Interessen zu sehen und zu merken, wie jeder anders reagiert, finde ich spannend. Jeder kann sich gut einbringen, mit dem, was er kann und was er mitbringt.
Bettina Fuchs: Es ist auch interessant, dass es bei den meisten Themen Spezialisten gibt. Diese geben gerne Auskunft und erklären dir, was du vielleicht nicht weisst.
Wie bereitet ihr euch auf die Gemeinderatssitzungen vor?
Bettina Eberle-Frommelt: Alle drei Wochen findet am Mittwoch die Gemeinderatssitzung statt. Jeweils am Freitag davor werden alle Unterlagen auf das Tool der Gemeinde aufgeschaltet. Über das Wochenende haben wir Zeit, die Dokumente zu studieren. Am Montag ist Fraktionssitzung.
Désirée Bürzle: In der Fraktionssitzung diskutieren wir zunächst parteiintern darüber. Vermutlich ist es in dieser Legislatur zum ersten Mal, dass Bettina (als Gemeinderätin der Freien Liste) «switcht» und einmal bei der FBP und einmal bei der VU dabei ist.
Bettina Eberle-Frommelt: Das schätze ich sehr. Dort erlebe ich sehr viel Offenheit und eine gegenseitige Wertschätzung. Ich wechsle konsequent, einmal bin ich bei der VU, einmal bei der FBP. Wenn sie parteiintern oder in der Ortsgruppe etwas zu besprechen haben, dann behandeln wir zuerst die Traktanden und offenen Fragen. Anschliessend gehe ich.
Wie ist es für euch, wenn ihr durch Balzers läuft. Sieht man Sachen anders, wenn man im Gemeinderat ist? Bekommt man einen anderen Bezug zur Gemeinde?
Corinne Indermaur-Wille: Ich finde es schön, das was man im Gemeinderat beschlossen hat, später draussen in der Bauphase zu sehen. Man nimmt auch Sachen wahr, die man vorher nicht wahrgenommen hat. Oder man achtet darauf, was noch gemacht werden müsste. Wenn ich z.B. auf dem Spielplatz bin und sehe, dass etwas kaputtgegangen ist, dann gebe ich das weiter.
Désirée Bürzle: Eine Anwohnerin in meiner Strasse hat mich beim Spazieren gesehen. Sie kam aus dem Haus und sagte, die Lampe funktioniere nicht, sie habe Angst, weil es so dunkel sei. Da fühlt man sich dann verantwortlich, nimmt den Telefonhörer in die Hand und hofft, dass es schnell erledigt wird. Als Gemeinderätin wird man manchmal gezielt angesprochen. Diese Lampe war in einer oder anderthalb Wochen ausgetauscht. Leider ist es nicht immer so einfach.
Bettina Fuchs: Man muss aber auch aufpassen, dass man sich nicht zu fest verantwortlich fühlt. Man darf auch denken, dass es den richtigen Weg geht, ohne dass man sich einmischt. Am Anfang ist man sehr enthusiastisch.
Ihr habt bisher alle eine Periode gemacht. Wie habt ihr den Start empfunden? Wie schnell kommt man rein?
Bettina Eberle-Frommelt: In diesem Gemeinderat war es speziell. Bis auf den Vorsteher und einen Gemeinderat waren alle neu. Alle haben gleich wenig gewusst. Das empfand ich als Erleichterung. Auf der anderen Seite hätte man manchmal von der Expertise erfahrener Leute profitieren können.
Am Anfang habe ich viele Stunden investiert, um alle Dokumente zu lesen und mich überall hineinzuknien. Mit der Erfahrung bin ich selektiver geworden. Ich weiss besser, was ich genau lesen muss und was weniger. Ich muss auch nicht alles bis ins letzte Detail verstehen, um mir eine Meinung zu bilden.
Bettina Fuchs: Deshalb ist es schön, dass wir alle verschieden sind. Wir haben zu jedem Thema jemanden der draus kommt, sei es durch den Beruf oder durch ein Hobby.
Corinne Indermaur-Wille: Im jetzigen Gemeinderat haben wir eine gute Zusammenarbeit, über die Parteien hinweg. Wir sitzen auch kreuz und quer, daher merkt man gar nicht, wer zu welcher Partei gehört. Alle bringen sich dort ein, wo sie stark sind. Es geht hauptsächlich um die Sache und nicht um die Parteipolitik.
Bettina Fuchs: Es ist nicht mehr wie früher, als man aus Prinzip dagegen sein musste, weil die anderen dafür sind. Die Jüngeren ticken nicht mehr so. Ich denke, das verschwindet langsam.
Bettina Eberle-Frommelt: Im Vergleich zu anderen sind wir ein recht junger Gemeinderat. Wir haben einige dabei, die kleine oder noch schulpflichtige Kinder haben, und das merkt man. Viele aktuelle Themen wie Klima, Umweltschutz, Bildung oder Familienthemen sind nicht umstritten.
Désirée Bürzle: Es sind nicht immer alle gleicher Meinung, aber man respektiert einander und hört einander zu. Man lässt einander leben, wie man so schön sagt.
Das tönt sehr positiv und ihr könnt den Gemeinderat allen empfehlen. Gibt es auch Sachen, die euch stören oder die besser laufen könnten?
Bettina Fuchs: Das System ist eher träge, damit habe ich manchmal Mühe. Wenn ich ein Problem sehe, dann möchte ich es rasch lösen, damit es vom Tisch ist. Hier geht mir alles ein bisschen zu langsam.
Bettina Eberle-Frommelt: Mir geht es genau gleich. Gewisse Abläufe, die man einhalten muss, sind sehr langwierig. Dazu kommen Hindernisse, mit denen man nicht rechnet und die nicht in unserer Macht stehen, zum Beispiel wenn es Einsprachen gibt.
Désirée Bürzle: Speziell ist auch, wie stark «das Land» bei Themen involviert ist, die eigentlich die Gemeinde betreffen. Das war für mich neu. Ich dachte, die Gemeinde sei viel autonomer und könne mehr in Eigenregie entscheiden.
Wie sieht es mit dem Arbeitsaufwand aus? Könnt ihr den beziffern?
Bettina Eberle-Frommelt: Es ist viel Arbeit! Vielleicht ist das bei mir besonders, weil ich (als Gemeinderätin der Freien Liste) allein bin. In dieser Legislatur habe ich bisher in neun verschiedenen Gremien mitgearbeitet. Dort möchte ich etwas bewegen, und deshalb arbeite ich viel dafür. Müsste ich vielleicht nicht. Bei mir sind es rund 20 bis 30 Stellenprozente Arbeit.
Die Gemeinderatsarbeit findet hauptsächlich an den Abenden statt. Da die meisten Leute berufstätig sind, werden die Sitzungen von Gemeinderat, Kommissionen und Arbeitsgruppen in der Regel abends angesetzt. Dazu kommen parteiübergreifende Anlässe oder thematische Veranstaltungen, die man besucht, weil man sich dafür interessiert oder als Gemeinderätin dazu eingeladen worden ist. Nur mit den Gemeinderatssitzungen alle drei Wochen ist es nicht getan.
Désirée Bürzle: Wir haben es ein bisschen einfacher, weil wir in der grösseren Fraktion gewisse Termine unter den Kolleginnen und Kollegen aufteilen können. Aber auch ich bin in vielen Arbeitsgruppen und Kommissionen dabei. Man investiert viel und hat dadurch weniger Freizeit.
Man muss es vorher gut mit der Familie absprechen. Es betrifft nicht nur dich selbst, sondern auch diejenigen um dich herum. Man muss den Partnerinnen und Partnern sowie den Kindern sagen, dass man nicht immer da ist und zur Verfügung steht.
Corinne Indermaur-Wille: Wie ihr sagt, es ist viel Zeit, die man investiert. Aber es ist eine sehr schöne Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Désirée Bürzle: Wenn es dir wichtig ist und du mit ganzem Herzen dabei bist, dann setzt du diese Zeit gerne ein. Sonst würdest du dich nicht zur Verfügung stellen.
Mit welchen Stichworten könnt ihr den aktuellen Gemeinderat in Balzers beschreiben?
Kollegial, sachpolitisch orientiert, wertschätzend, aufgestellt, lustig, offen, vielfältig.
«Vielfalt in der Politik» bedankt sich herzlich für das Gespräch!
8. April 2022
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Interview: Andrea Hoch
Fotos: Ingrid Delacher
Video: Julia Hoch