Im März 2023 finden die nächsten Gemeindewahlen statt. In einer Serie stellt «Vielfalt in der Politik» die Gemeinderatsarbeit in den einzelnen Gemeinden vor. Wir haben alle Gemeinderätinnen gebeten, ein Projekt aus ihrer Legislatur genauer vorzustellen.
In Triesen führten wir das Gespräch mit Vorsteherin Daniela Erne und den Gemeinderätinnen Eva Johann-Heidegger, Nicole Felix und Nicole Schurte. Beim ausgewählten Projekt handelt es sich um den partizipativen Prozess bei der Erneuerung des Spielplatzes bei der Primarschule.
Interview mit der Vorsteherin und den Gemeinderätinnen der Gemeinde Triesen
Welches Projekt möchtet ihr uns vorstellen und wieso?
Daniela Erne: Wir haben in Triesen 17 Spielplätze. Dass es so viele sind, liegt auch an der Zersiedelung der Gemeinde. Regelmässig werden alle Spielplätze auf ihre Sicherheit hin überprüft, und es gibt einen Bericht, der im Gemeinderat diskutiert wird. Wir schauen uns jeden Spielplatz einzeln an und besprechen, was gemacht werden muss. Im Zuge dieser Überprüfung wurde der Spielplatz bei der Primarschule ganz erneuert. Wir haben dieses Beispiel ausgewählt, um aufzuzeigen, welche Prozesse im Hintergrund ablaufen. Es ist auch ein erfolgreiches Beispiel für die aktive Mitwirkung aller Beteiligten, speziell der Kinder.
Eva Johann-Heidegger: Man sieht überall Spielplätze und findet sie schön, aber die meisten wissen nicht, was alles dahintersteckt. Es wird alles für selbstverständlich erachtet. Das ist es aber nicht. Es braucht einiges, bis ein Spielplatz fertig dasteht. Das Thema wird auch kritisch hinterfragt, denn die Kosten sind gross, auch im Unterhalt. Die Neugestaltung des Spielplatzes bei der Schule ist speziell, weil es einen Prozess mit allen Beteiligten gab. Ich fand es schön, dass diejenigen einbezogen wurden, die tagtäglich damit umgehen.
Bei Spielplätzen würde man meinen, es handle sich um ein schönes, unverfängliches Thema. Es gibt trotzdem kritische Stimmen?
Nicole Schurte: Ich finde, man hätte ein paar Spielplätze einfach schliessen und gar nicht mehr sanieren sollen. Sie sind nicht notwendig. Ich würde zu den Kindern sagen: Geht raus, geht auf die Wiese, geht in den Wald! Ein Kind ist lieber in der Natur als auf dem Spielplatz. Mit dieser Meinung war ich in der Minderheit.
Daniela Erne: Als wir einmal einen Spielplatz geschlossen haben, gab es nachher zahlreiche Telefonanrufe bei der Gemeinde.
Eva Johann-Heidegger: Viele Spielplätze sind gegeben, weil sie bei den Kindergärten und Schulen angesiedelt sind. Dann kamen ein paar dazu, als es ein Projekt gab, bei dem Quartierspielplätze oder kleine Fussballplätze subventioniert wurden. Wenn sie einmal stehen, ist es nachher schwierig, etwas daran zu ändern. Den Leuten etwas wegzunehmen, ist immer schwierig.
Nicole Felix: Auch beim neuen Freizeitpark Blumenau sind nicht alle zufrieden. Ich wurde zum Beispiel angesprochen, es habe zu wenig Angebote für die kleinen Kinder. Es werden viele Wünsche an uns herangetragen. Auch wenn ich privat unterwegs bin, bekomme ich mit, wie die Leute darüber reden. Aber man kann nicht alles machen.
Die Sicherheit wird bei Spielplätzen grossgeschrieben. Könnt ihr noch mehr dazu sagen?
Eva Johann-Heidegger: Alle Anlagen, welche die Gemeinde der Bevölkerung zur Verfügung stellt, werden regelmässig sicherheitstechnisch überprüft. Neben den Spielplätzen also zum Beispiel auch der Vita Parcours oder die Kneippanlage. Das erfolgt aus Haftungsgründen.
Nicole Schurte: Wir müssen das machen, denn sonst haftet die Gemeinde, wenn etwas passiert. Diese Entwicklung finde ich extrem.
Eva Johann-Heidegger: Es ist auch kostenintensiv. Ein Planungsbüro hat eigens ein Sicherheits- und Entwicklungskonzept für die Spielplätze erarbeitet und dieses dem Gemeinderat vorgestellt. Dass es zum Teil auch superweiche Böden braucht, war für mich neu.
Daniela Erne: Die Anforderungen an die Sicherheitsmassnahmen nehmen stetig zu. Dass wir so viel reparieren müssen, hängt jedoch auch damit zusammen, dass häufig randaliert wird. In Zukunft wird man vermutlich nicht darum herumkommen, überall Kameras zu installieren.
Wie lief der partizipative Prozess beim Schulspielplatz ab?
Nicole Felix: Die Kinder wurden gefragt, wie sie sich ihren Traumspielplatz vorstellen und was sie sich wünschen würden. Sie wurden stark miteinbezogen. Das ist auch gut, denn sie verbringen tagtäglich ihre Pause dort.
Daniela Erne: Auch die Lehrpersonen wurden einbezogen. Aber Match-entscheidend waren die Kinder!
Nicole Schurte: Die Umweltkommission konnte bei der Pflanzenauswahl mitreden. Wir haben einen Gartenplaner zur Seite, der uns berät. Ich hätte es schön gefunden, als Schattenspender Obstbäume zu pflanzen, damit die Kinder sehen, wie ein Apfel oder eine Birne wächst. Aber keine Chance! Da sind wir wieder beim Thema Sicherheit. Es kam das Argument mit den Wespen, wenn ein Kind dort draufsteht. Oder wegen der Sauerei. Es hiess, das könnten wir nicht machen. Ich finde das eine wahnsinnig traurige Entwicklung!
Nicole Felix: Der Einbezug der Kinder bei diesem Spielplatz war keine einmalige Sache. Wir sind dabei, das Unicef-Label «kinderfreundliche Gemeinde» anzustreben. Wir haben bereits einen Fragenkatalog ausgefüllt und eine Standortbestimmung erhalten. Im nächsten Schritt geht es um die Partizipation der Kinder. Sie dürfen ihre Ideen, Visionen, Wünsche für Triesen malen, basteln oder aufschreiben. Ausgewählte Vorschläge werden an einem Kinder-Mitwirkungstag weiterverfolgt. Daraus werden später konkrete Projekte entwickelt. Es wird nicht alles realisierbar sein, aber wir werden den Kindern erklären, aus welchen Gründen gewisse Sachen nicht möglich sind. Vielleicht entsteht daraus etwas anderes.
Wie ist eure allgemeine Erfahrung im Gemeinderat bzw. als Vorsteherin?
Nicole Felix: Am Anfang lässt du dich darauf ein und hast keine Ahnung, was auf dich zukommt. Zuerst dachte ich, das packe ich nie. Es sind so viele neue Themen und Informationen. Gleichzeitig muss man wissen, wo man Informationen erhält, wenn man sie noch nicht hat. Es fühlte sich an, als hätte ich einen riesengrossen Kopf. Aber man lebt und arbeitet sich mit der Zeit gut ein. Viele Themen haben mit «Bau» zu tun. Das war am Anfang schwierig, wenn man beruflich mit dem nicht zu tun hat.
Eva Johann-Heidegger: Ich finde es nach wie vor interessant. Obwohl ich schon länger dabei bin, gibt es immer wieder Sachen, die neu und spannend sind. Man lernt immer wieder dazu. Am Anfang fand ich es besonders interessant zu sehen, was alles dahintersteckt, wie viele Leute damit beschäftigt sind, dass am Schluss alles funktioniert. Es wird einem bewusst, dass man über Vieles noch gar nie nachgedacht hat. Ich staune immer wieder.
Nicole Schurte: Mit dem persönlichen Einsatz kann man etwas bewegen. Diesen Hebel haben wir jetzt. Das ist sehr spannend. Manchmal gelingt es nicht, und mit dem muss man auch klarkommen. Es ist eine Lebensschule zum «metanand kschiara». Man muss gerne mit den verschiedenen Menschen zusammenarbeiten. Das schätze ich sehr, auch wenn es nicht immer so reibungslos abläuft. Wieder zusammenzufinden, das finde ich super.
Nicole Felix: Das finde ich auch. Ich habe so viele Menschen kennengelernt, und es sind Gespräche entstanden, die man sonst nicht hat. Das finde ich schön. Du befasst dich auch mit neuen Themen und lernst dabei!
Eva Johann-Heidegger: Aus der Kommission heraus entsteht eine Idee, die dann in den Gemeinderat kommt. Beim Dorfmarkt war es beispielsweise so. Und plötzlich feiert man das zehnjährige Jubiläum. Das erfüllt einem schon ein bisschen mit Stolz. Es ist ein schönes Gefühl zu sehen, dass etwas Bestand hat.
Daniela Erne: Für mich ist es persönlichkeitsbildend und eine Lebensschule. Als Vorsteherin habe ich gemerkt, dass ich für Vieles die Verantwortung trage. Das ist ein Unterschied zum Gemeinderat. Im Gemeinderat kann man sich ein bisschen besser in der Gruppe «verstecken». Ich werde bei fast jedem Thema direkt angesprochen, erhalte täglich Telefonanrufe oder E-Mails. Das muss man aushalten können.
Wie lässt sich die Kultur im Gemeinderat beschreiben?
Daniela Erne: Als ich im Gemeinderat war, war ich die einzige Frau. Es haben damals sechs Frauen kandidiert, aber ich bin als einzige gewählt worden. Darüber war ich enttäuscht. Ich erlebe es jetzt ganz anders. Ich empfinde die Frauen als sozialer oder etwas weniger starr. Ich merke das auch in der Vorsteherkonferenz, wo wir Frauen – obwohl wir nur zwei sind – gut zusammenarbeiten. Es braucht den weiblichen Part und eine gute Durchmischung.
Eva Johann-Heidegger: In meiner ersten Legislatur war ich auch die einzige Frau. Allein hast du keine Chance! Ich hatte das Gefühl, ich könnte die Interessen der Frauen vertreten und auf gewisse Dinge aufmerksam machen. Aber das war vergeblich. Vielfach haben sie gar nicht verstanden, was ich ihnen erklären wollte. Es hiess einfach «nein». In der zweiten Amtsperiode war eine zweite Frau dabei, aber sie war von der Gesinnung her anders als ich. Wir waren meistens nicht gleicher Meinung. Das gibt es selbstverständlich auch. Trotzdem denke ich, dass Frauen gewisse Themen tendenziell anders sehen als Männer und sich besser in andere hineinversetzen können.
Früher wurde im Gemeinderat kontroverser diskutiert oder fast gestritten. Männer werden da schon recht heftig. Anschliessend sagten sie, sie gingen zusammen etwas trinken. Ich verstand das nicht und sagte: «Mit euch gehe ich jetzt sicher nichts trinken!». Das konnten sie wieder nicht verstehen. Ich musste erst lernen, das zu trennen. Ich nehme nicht mehr alles persönlich. Man erhält einen breiteren Rücken.
Nicole Schurte: Ja, da können wir von den Männern lernen. Ich glaube, sie können das von Natur aus besser, nur die Sache zu sehen. Manchmal geht es unter die Gürtellinie. Es hilft, wenn man sich sagt, dass einer vielleicht nicht gerade den besten Tag erwischt hat. Man muss auch nicht mit allen beste Freunde sein. Das darf man auch. Es ist eine gute Schule, wenn man es hier mit allen auf die Reihe kriegt.
Nicole Felix: Man nimmt es manchmal schon persönlich. Aber wenn man eine Nacht darüber schläft, dann ist es auch wieder gut. Du kannst nichts falsch machen. Du befasst dich mit einem Thema und bist dafür oder dagegen. Man muss sich nicht immer rechtfertigen. Wenn das Ergebnis gegen deine Meinung ist, musst du das einfach akzeptieren.
Den Start beschreibt ihr als schwierig. Wie könnte man den verbessern?
Nicole Schurte: Zu Beginn haben wir viel wertvolle Zeit verloren, in der wir nicht mitreden konnten. Man muss die «Basics», also die gesetzlichen Grundlagen und Abläufe kennen, um sich einbringen zu können. Diese Anfangszeit muss man besser nutzen.
Eva Johann-Heidegger: Es wäre sehr viel einfacher, wenn man gleich zu Beginn einen Überblick erhielte. Sonst kannst du im ersten Jahr nur zuschauen und zuhören und bist weit entfernt davon, etwas beitragen zu können. Das ist schade, denn vier Jahre gehen schnell vorbei.
Nicole Felix: Wir hatten zwei erfahrene Gemeinderäte in der Fraktion. Ich war froh, dass ich diese fragen und löchern konnte.
Daniela Erne: Als ich das Vorsteheramt übernommen habe, hat man mir gezeigt, wo welche Ordner stehen, gefolgt von vielen Informationen und dann ging es schon los. Im Gemeinderat ist es ähnlich: «Learning by doing». Workshops zur Einführung wären hilfreich. Das haben wir nun auf dem Radar.
Ihr habt gesagt, der zeitliche Aufwand sei grösser als erwartet. Was heisst das genau?
Nicole Schurte: Der Aufwand ist viel grösser, als alle gesagt haben! Mit den Gemeinderatssitzungen und Fraktionssitzungen ist es nicht getan. Man hat mir auch gesagt, an viele Veranstaltungen müsse man nicht hingehen. Aber das ist nicht so einfach.
Eva Johann-Heidegger: Wenn du angefragt wirst, sprechen sie nur von den Gemeinderats- und Fraktionssitzungen. Es sagt dir niemand, dass es daneben noch Veranstaltungen von der Partei oder der Gemeinde gibt. Rundherum finden Aktivitäten statt, an die man gehen sollte. In der Zeit vor den Sommerferien und vor Weihnachten ist besonders viel los, alle organisieren noch einen Umtrunk. Auch das Vorbereiten der Sitzungen unterschätzt man zum Teil. All das sagt man einem vorher nicht ehrlich. Das finde ich schade.
Nicole Schurte: Auch wenn man die Teilnahme an Veranstaltungen sehr minimiert, ein paar Mal muss man einfach hingehen. Das ist man dem Gemeinderat schuldig. Das hätte ich vorher nicht gedacht, aber es ist so. Die Einweihung eines Feuerwehrautos zum Beispiel. Da gehst du nicht hin, weil dich das Auto interessiert, sondern wegen der Wertschätzung für die Feuerwehr.
«Vielfalt in der Politik» bedankt sich herzlich für das Gespräch!
12. Mai 2022
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Interview: Andrea Hoch
Fotos: Ingrid Delacher
Video: Julia Hoch